Kunst und soziales Engagement
Die Idee des Theaters im rechtsrheinischen Köln |
Impulsreferat von Udo Mierke
anläßlich des Pressefrühstücks
in der Cassiopeia Bühne am 14. Juni 2009 |
Sehr geehrte Damen und Herren, liebe Theaterfreunde! |
Zu Beginn des Impulsreferates möchte ich
einige Prämissen und Statements vorwegschicken, die als Rüstzeug
dienen mögen, einen Teil unserer Beweggründe und
Entscheidungswege für ein Theater im Rechtsrheinischen
unter dem Aspekt Kunst und soziales Engagement zu
beleuchten, bevor ich dann dazu übergehen werde, die
Standortwahl und ihre Fundierung, Motivation und beabsichtigte
Wirkung bezüglich des künstlerischen und darin
implizit sozialverantwortlichen Schaffens so knapp wir möglich
zu erörtern. |
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Prämisse |
Das Erleben oder genauer gesagt: die Apperzeption
professioneller Kunst sei ein wesentliches Fundament für
die Teilhabe an Kultur und für die Fortentwicklung von
Kultur. Dies gelte für jeden durch sie
angesprochenen Rezipienten in jeder Altersstufe. |
Kultur also nicht die sie vorrangig behandelnde
Kunst, die einen Bestandteil von Kultur bildet wird
hierbei verstanden als Konvention bzw. als zeitaktuell geübte
Praxis eines historischen Erbes; also eines Gemeingutes, das
sich zusammensetzt aus ikonographisch verstandenen
Zeichensystemen unterschiedlicher Ausprägung, wie
beispielsweise Bild und Darstellung einschließlich
konventionalisiertem Gestischen und Mimik, tonalen
Ausdruckformen wie gesprochene Sprache und Musik,
Schrift als Zeichensystem mit hohem ikonographischen
Abtraktionsgrad. |
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Statement |
Eine der Aufgaben des Künstlers sei die Auseinandersetzung
mit Kultur durch künstlerisches Agieren. |
Dem theaterschaffenden Künstler, dessen Arbeit in
besonderer Weise im Kommunikativen der Kunst beheimatet ist,
kann dabei soweit er als Theatermacher auch
Kulturveranstalter ist die Aufgabe zukommen, einen kulturellen
Vermittlungsauftrag wahrzunehmen, sofern er sich auf das
Künstlerische bezieht. |
Theatermacher, die einen besonderen Schwerpunkt in den
Angeboten für Familien / Kinder setzen, sind immer
aufgefordert, im Kulturschaffen die kognitiven Fähigkeiten
ihrer Rezipienten im Blick zu haben und zu berücksichtigen.
Soziale oder gesellschaftliche Rahmenkonditionen
fließen dabei in den Prozess zur Bildung der künstlerischen
Kommunikaitonsform Theater ein. |
Gesellschaften und deren Konventionen wandeln sich
jeher durch verschiedenste Mechanismen: Zuzug und Wegzug von
Menschen, also Migration, sind dafür so paradox das
terminologisch klingen mag substantiierende Akzidenzien.
In einer sich durch unterschiedliche Ethnien und kulturelle
Hintergründe speisenden und wandelnden Gesellschaft
mit durch die jeweiligen Vorgängergenerationen
unterschiedlich vermittelter und geprägter Sozialisation
ist daher der Reflex auf Kultur qua Kunst eine der vornehmlichen
Aufgaben theaterschaffender Künstler; gerade hinsichtlich
der Kindesentwicklung kann Kunst dazu beitragen, die
hermeneutische Einbettung bei der Bildung einer kulturellen
Kommunitas und Identität für die junge Generation zu
befördern. |
Die Aufgabe des Künstlers aber ist nicht die Aufgabe
des Soziologen, Sozialarbeiters, Didaktikers, Pädagogen.
Aspekte derer Aufgaben jedoch sollen und können im Theater,
verstanden als Hort des Zusammenwirkens verschiedener
Kunstformen im Darstellenden Spiel, in besonderer Weise
berücksichtigt werden. |
Dies gilt nicht nur in der Art des Spieles, sondern auch für
die Standortfrage. |
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Zum Thema: Kunst und
soziales Engagement Die Idee des Theaters im
Rechtsrheinischen |
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Wie in den vorgehenden Prämissen und Statements erläutert,
spielen neben künstlerischen Aspekten und
kognitiven Fähigkeiten der Zielgruppe gerade für
Kindertheatermacher soziale und gesellschaftliche
Rahmenkonditionen eine wesentliche Rolle. |
Wie Sie wahrscheinlich wissen, war die Cassiopeia Bühne
bis 2008 in der Kölner Altstadt-Süd beheimatet. Bei
der schwierigen Suche nach neuen Räumen fanden wir einige räumliche
Alternativen in Ehrenfeld, im innerstädtischen Bereich
sogar in derselben Straße und eben dieses atmosphärische
Gebäude hier in Köln Holweide, einem ehemals eher dörflich
strukturierten bürgerlichen Stadtteil. |
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Das rechtsrheinische Köln hat (ohne den zur
Innenstadt zählenden Stadtteil Deutz) rund 360.000
Einwohner, davon leben knapp 145.000 im Stadtbezirk 9 und
knapp 21.000 davon im Stadtteil Holweide, der Größe
nach also eine kleine Mittelstadt. |
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Für sich genommen läge das rechtsrheinische Köln
bezüglich seiner Einwohnerzahlen unter den Deutschen
Großstädten auf Platz 17 hinter Bochum, wo wir
diese Woche für das Schauspielhaus gastierten und vor
Wuppertal, wo wir letzte Woche ebenfalls gastierten. |
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Der Stadtbezirk Mülheim läge auf Platz 70 der
Großstädte vor Koblenz und Bergisch Gladbach, das
mit 106.000 Einwohnern im Osten an den Stadtbezirk 9
anschließt. Im Norden schließt mit Leverkusen
eine weitere Großstadt mit rund 160.000 Einwohnern an.
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Trotz seiner hervorragenden zentralen Lage und
infrastrukturellen Anbindung verfügt das rechtsrheinische Köln
bisher nicht über ein professionelles stehendes Theater mit
einem Arbeitsschwerpunkt für Kinder / Jugendliche, obwohl
etwa 96.000 Kinder und Jugendliche im rechtsrheinischen Köln
beheimatet sind. |
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Als Künstler, die mit ihrem Theater oft im Bergischen
Land und im Ruhrgebiet gastieren, war für uns der Schritt über
den Rhein nicht nur vorstellbar; er war auch ein Desiderat.
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Denn: Qualitative Kunst- und Kulturentwicklung darf
nicht nur im städtischen Zentrum stattfinden. |
Kulturelle Teilhabe muss gerade in der
viertgrößten Stadt der Bundesrepublik auch für
das rechtsrheinische Einzugsgebiet ortsnah möglich
werden. |
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Ein einfaches Beispiel der Bevölkerungsstruktur im
Stadtteil Holweide mag einen Hinweis geben auf die
Notwendigkeit eines Theaters im Rechtsrheinischen, wenn man
das oben genannten Statement und dessen Prämissen ernst
nimmt. |
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Der Stadtteil ist ein junger Stadtteil,
18,8% der Einwohner sind minderjährig, ihre Anteil
liegt mit 3,3 Prozentpunkten signifikant über dem städtischen
Mittel. 52,8 %, also mehr als jeder zweite, der unter
Dreijährigen haben einen Migrationshintergrund. Bei den
Minderjährigen insgesamt sind es 47,6 %. Damit ist
die Grundlage für ein mögliches zukünftiges
Problem kultureller Integration offensichtlich: |
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Der strukturelle Bevölkerungswandel stellt die Frage,
wie man ihm begegnet. |
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Nicht, weil Kinder einen oftmals bereichernden ethnischen
Hintergrund einbringen entsteht ein Handlungsbedarf zur Beförderung
einer kulturellen Kommunitas, sondern weil
professionelle Angebote und gewidmete Orte für gemeinsames
Kunst- und Kulturerleben rar sind, sofern sie nicht primär
ethnischen, konfessionellen oder didaktisch-soziologischen
Motivationen unterliegen, wie sie dankenswerterweise und mit großem
Engagement durch z.B. die Bezirksjugendpflege durchgeführt
werden, die wie ich erfreut sehe heute ebenfalls
anwesend ist. |
Dass gerade der hiesige Standort hervorragend angebunden
ist an den öffentlichen Personennahverkehr und die
Hauptverkehrsachsen des Individualverkehrs hat unsere
Entscheidung für das Theater im Rechtsrheinsichen
erleichtert. Dass ein sehr schöner Kinderspielplatz
vor der Türe liegt, die Rheinische Musikschule in der Nähe
und ein Seniorennetzwerk unser direkter Nachbar ist, läßt
uns hoffen, auch das künstlerische und intergenerative
Miteinander stärken zu können. |
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Als Künstler, denen Kunst für Kinder ein
hohes Gut ist, haben wir trotz der Risiken, die ein
Umzug eines Theaters in einen nichtinnerstädtischen
Stadtteil bedingt, beschlossen, den Versuch zu unternehmen, mit
reflektiertem künstlerischem Wirken zur Entwicklung der
rechtsrheinischen Region vor Ort beizutragen, soweit
dies unsere eigenen Kräfte und wirtschaftlich beschränkten
Möglichkeiten zulassen. |
Wir hoffen, dass wir diesen Kraftakt erfolgreich bewältigen,
von dem wir uns auch eine Stärkung des sozialen
Miteinanders durch Arbeiten auf künstlerisch bedeutendem
Niveau erhoffen; nicht nur in einer Fortsetzung der
bisher geleisteten künstlerischen Arbeit und
Programmplanung, sondern auch in ihrer Fortentwicklung und
steten Qualifizierung, damit die Kinder und Erwachsenen in
diesem Haus stets einen Ort finden, der Sie willkommen
heißt, zu hören, zu schauen, zu erleben, zu
kritisieren, zu tolerieren, sich auszutauschen, oder schlicht:
sich im künstlerischen Dialog wohl zu fühlen.
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Vielen Dank. |
Datenquelle zu lokalen
Bevölkerungszahlen und Statistik: Jahresstatistik der Stadt
Köln, mit Stand 31.12.2007 |